Wer googelt, weiß: die ersten Treffer erhalten viel Beachtung, die folgenden Treffer hingegen werden schnell ignoriert. Meistens ist das ziemlich schade. Witzig ist: Das gleiche Phänomen beobachtet man auch bei den Moden, was über die Arbeitswelt so geschrieben wird. In den letzten Jahren hat sich Google von einer Suchmaschinenfirma zu einer Quelle der Weisheit für alles und jedes gemausert. „Das macht Google so“ ist immer noch ein Top-Qualitätskriterium für Raumgestaltung, Bewerbungsgespräche oder Zusammenarbeit. „Google sagt“ nämlich zum Beispiel, Psychologische Sicherheit (PS) sei das wichtigste Kriterium für effektive Teams. Und da stürzen sich jetzt viele drauf. Google wird´s wissen. Aha. Ok. Heute geht es darum, was PS sein soll – und darum, welche anderen wichtigen Erfolgsfaktoren für Teamarbeit im Hype um die Psychologische Sicherheit leider auf den Plätzen 2, 3, 4… ziemlich unbeachtet versauern.
Was ist Psychologische Sicherheit?
„Psychological safety: […] In a team with high psychological safety, teammates feel safe to take risks around their team members. They feel confident that no one on the team will embarrass or punish anyone else for admitting a mistake, asking a question, or offering a new idea.“
„Psychologische Sicherheit: […] In einem Team mit hoher psychologischer Sicherheit fühlen sich Teamkollegen sicher, vor ihren Teammitgliedern Risiken einzugehen. Sie sind zuversichtlich, dass niemand im Team jemand anderen in Verlegenheit bringen oder bestrafen wird, wenn er einen Fehler zugibt, eine Frage stellt oder eine neue Idee anbietet.“
Quelle: re:Work (rework.withgoogle.com)
Soweit so gut. Das klingt für mich plausibel. Wo Psychologische Sicherheit existiert, das muss ein tolles Team sein. Mein Bauch sagt mir sofort: „Psychologische Sicherheit – her damit!“. Und so geht es offensichtlich vielen, die sich um Teamperformance bemühen. Sie schreiben, lehren, coachen, speaken – alle mit dem Verweis: Google hat gesagt, PS ist super wichtig. Schauen wir uns genauer an, was Google da herausgefunden hat…
Wie kam Google darauf, dass PS der wichtigste Faktor für effektive Teams sei?
„Google-Forscher wandten eine […] Methode an, um die Geheimnisse effektiver Teams bei Google zu entdecken. Der Code-Name des Projekts war Aristoteles – eine Hommage an Aristoteles´ Zitat, „das Ganze ist größer als die Summe seiner Teile“ (da die Google-Forscher glaubten, dass Mitarbeiter zusammen mehr erreichen können als allein) – das Ziel war es, die Frage zu beantworten: „Was macht ein Team bei Google effektiv?“
Anhand von Beiträgen von Führungskräften auf der ganzen Welt identifizierte das Forschungsteam 180 Teams, die untersucht wurden (115 Projektteams im Engineering und 65 im Vertrieb), darunter eine Mischung aus leistungsstarken und leistungsschwachen Teams.
Die Studie untersuchte, wie sich sowohl die Teamzusammensetzung (z. B. Persönlichkeitsmerkmale, Vertriebsfähigkeiten, Demografie im Team) als auch die Teamdynamik (z. B. wie es war, mit Teamkollegen zusammenzuarbeiten) auf die Effektivität des Teams auswirkt. Ideen wurden sowohl aus der bestehenden Forschung gezogen als auch aus Googles eigener Erfahrung mit dem, was ein effektives Team ausmacht.
Quelle und mehr Details: re:Work (rework.withgoogle.com)
Welche Faktoren aus Googles Liste werden ständig übersehen?
Nur weil ein Faktor der wichtigste zu sein scheint (für Google) – heißt das nicht, dass die Faktoren auf Platz 2, 3, 4, … nicht beachtet werden sollten. Vielleicht bewirken Platz 2 + 3 zusammen genommen ja viel mehr als Platz 1 alleine? Ich bin jetzt nicht so tief in die Auswertungen eingestiegen, dass ich die Antwort hätte, aber der Punkt scheint mir schon wichtig. Zumal die Faktoren auf Platz 2-5 nun wirklich im Vergleich zur populären Psychologischen Sicherheit aktuell sehr wenig thematisiert werden.
Solange sich alle auf Psychologische Sicherheit stürzen, weil das vermeintlich der wichtigste Faktor für effektive Teams ist, machen sie den gleichen Fehler, wie Google-User, die nur die ersten Google Treffer anklicken: Sie verschenken so viel. Denn die Plätze 2-5 wurden belegt von:
- Verlässlichkeit „Wenn Teamkollegen sagen, dass sie etwas tun, tun sie es auch.“
- Struktur und Klarheit „Unser Team hat einen effektiven Entscheidungsprozess.“
- Bedeutung „Die Arbeit, die ich für unser Team mache, ist für mich von Bedeutung.“
- Impact „Ich verstehe, wie unsere Arbeit zu den Zielen der Organisation beiträgt.“
Quelle: re:Work (rework.withgoogle.com)
Ja zugegeben, Punkt 3 und 4 wird unter dem Kapitel Purpose / Why zunehmend behandelt. Aber mir scheint, dass zumindest Punkt 2 und 3 mir viel zu kurz kommen, ja dass sie sogar von manchem als Gegensatz zur Psychologischen Sicherheit angesehen werden. Denn zur Verlässlichkeit gehört auch Disziplin und der Wille, sein Soll zu erfüllen, auch gegen Widerstände. Und das klingt doch irgendwie oldschool und unbequem. Ich habe an anderer Stelle dazu mal geschrieben, dass ich sicher bin, dass neben Trust (wie ich die PS damals nannte) auch zwei weitere Dinge bald wieder ganz populär werden: Nachhaltiges/strategisches Denken und Disziplin (Sustainability, new work, purpose – and then?).
Spannend auch: laut Google nicht relevant für die Effektivität von Teams:
- Im selben Büro sitzen
- Konsensorientierte Entscheidungsfindung
- Extroversion von Teammitgliedern
- Individuelle Performance von Teammitgliedern
- Größe des Workloads
- Alter
- Teamgröße
- Amtszeit
Denn um diese 8 Punkte kümmern sich manche Firmen / Einheiten / Führungskräfte ziemlich intensiv.
PS: Psychologische Sicherheit kann zu einem gewissen Teil auch von Dir selbst hergestellt werden. Einmal, indem Du selbst Teil einer entsprechenden Kultur bist, in der man Ideen, Fragen und Bedenken angstlos loswerden darf. Und zum anderen, indem Du selbst auch ein Vorbild bist im keine Angst haben. Hab doch einfach mal keine Angst. Es gibt immer wen, der es Dir danken wird. Cheers!
2 Antworten auf „Psychologische Sicherheit. Psychologische Sicherheit. Psychologische Sicherheit.“
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