Die meisten werden wissen, dass unser Gehirn sich vor allem dann gerne Dinge merkt, wenn die Erinnerung an etwas Auffälliges oder an den Kontext geknüpft werden kann, in dem gelernt wurde. 1975 sollten zwei Gruppen 36 zufällige Begriffe auswendig lernen. Die einen lernten unter Wasser, die anderen an Land. Dann wurde geprüft, wie viel sie erinnern konnten – jeweils Unterwasser oder an Land. Unter Wasser konnte die Gruppe mehr Begriffe erinnern, die auch unter Wasser gelernt hatte (38% Erinnerung vs. 21%). Für die Landratten galt dasselbe (32% vs. 21%). Heute geht’s darum, was das für uns im Kontext Führung, Schulung, Strategie und Kulturwandel heißen kann.
Warum Du leider zusätzlich zu Key Note Speakern, Change PMO und klugen Beratern auch noch einen Zauberstab brauchst, um wirklich was zu verändern. In diesem Beitrag fahre ich alles auf: Goldsucher am Yukon, Magie, Biologie und Bakterien – wenn das keine Wochenendlektüre ist!
Ich habe jetzt bestimmt ca. 5.000 Menschen in Veränderungen erlebt. Ca. 10% durfte ich intensiver kennenlernen, bei 90% habe ich zumindest deren fachliche und überfachliche Forderungen, Sorgen und Hoffnungen erfahren. Was nicht zu spüren war: ANGST VOR VERÄNDERUNGEN. Immer wieder begegnet mir dieser Satz. Dabei ist er VÖLLIG FALSCH. Wieso wird das trotzdem ständig kolportiert?
Lass deine Psycho-Studien mal stecken. Die meisten Bullshitquellen untermauern diese Fehlaussage nur mit weiteren Bullshitquellen. Beispiel: Angst-Verstehen.de „die meisten Menschen haben Angst vor Veränderungen“. Quellen: – Pal-Verlag (Lebenshilfe), – stern.de (mittelmäßige Zeitschrift), – zeitzuleben.de („ein Informatiker, der manchmal ein bisschen schüchtern ist, gerne Tiramisu mag, und manchmal Dinge kauft, die er nicht braucht“)…
Darüber, was Menschen meiner Meinung nach in Zeiten der Veränderung wirklich fürchten, und was Du bitte tun solltest, schreibe ich heute einen etwas längeren Beitrag.
Das Henne-Ei Problem ist die klassische Frage ob A oder B zuerst da war. Ich stoße sehr häufig auf die Frage: wie soll A möglich werden ohne B – aber B bräuchte eigentlich A.
(Achtung, ironisch*): Lasst uns Deutschen unsere Angst! Die gehört zu uns wie der Laubmischwald, den wir abgehackt haben. Oder Biersorten wie Diebels, Hasseröder und Franziskaner, die die InBev für uns braut. Und jetzt wollen New Work Fuzzis uns diese Kulturkonstante austreiben? Mut, Fehlerkultur und Zukunftslust lecker machen? Da kriegt man ja Angst.
Andere Kulturen versprechen Paradiese. Zumindest kurzes Erleuchten vor dem Verwehen. Nur wir haben das Ragnarök, den Weltenbrand: alles futsch, basta. Und Odin hat es kommen sehen. Aber keiner wollte hören. Daher kommt die wunderbare „Ich habs doch gesagt“ Attitüde.
Und dann kommt der Fremde aus dem Süden, der alles anzündet. „Schuld sind die Anderen“ – ein Prinzip, perfektioniert in Germany. Der Wolf frisst den Boss, die Schlange vergiftet seinen Sohn, alle gegen alle. Alle gehen drauf. Das ist die Story. Und weil alles kaputt ist, kann man dann endlich was Neues starten. GREENFIELD.
Kontinuierlich verbessern? Pöh! Lernende Organisation? Geh! Wir wollen uns aktionistisch ins wilde Getümmel stürzen, gehemmt und getrieben zugleich von unserer geliebten Angst vor sonstwas. So ticken wir. Nehmt uns das nicht. Skål!
Die Literatur und viele Beratungen zeigen immer wieder diese Abbildung, um den typischen Verlauf von Veränderungen zu zeigen.
Die Kurve soll vor allem aussagen, dass eine Schock- und Frustphase ganz normal ist, sich dann die Gemüter beruhigen, man schließlich ins Probieren kommt und alles gut wird. In der Frustphase läuft das Neue meist schlechter als das Alte lief und hier muss man gemeinsam durchhalten, um in die bessere Neue Welt zu gelangen, anstatt in die alten gewohnten, sicheren Muster zurück zu fallen.
Diese Kurve vernachlässigt aber dass alle Menschen ihr eigenes Tempo haben, durch diese Phasen zu gehen. Daher gibt es eine andere Darstellung, die mir neulich irgendwo begegnet ist. Schonmal ganz gut:
Diese Kurve zeigt auf, dass das Topmanagement früher informiert ist und daher die Phasen früher durchläuft. Spannend, denn während die Topmanager schon ausprobieren, müssen die anderen evtl. erst noch Frust verarbeiten. Da ist vorprogrammiert, dass die Vorstände denken „warum ziehen die immer noch nicht mit? Ich erzähl da seit 1 Jahr was zu“. Tja, der Wissens- und Verarbeitungs-Vorsprung ist halt meist viel größer, als die Firmenlenker glauben. Sie wollen längst loslegen, während die anderen sich noch gar nicht zuende aufgeregt haben.
Doch auch diese Darstellung übersieht etwas: selbst innerhalb der Gruppe „Topmanagement“ und „Management“ sind doch die Geschwindigkeiten teils dramatisch unterschiedlich. Manche haben den Change vielleicht sogar selbst initiiert, während andere ein paar fiese Kröten schlucken müssen. Noch stärker ist das bei der zahlenmäßig grössten Gruppe, den Mitarbeitern zu erleben. Manche haben vielleicht früh Infos zum bevorstehenden Change erhalten und schon viel Zeit fürs Verarbeiten gehabt, oder sie sehen im Change sogar Karrierechancen. Andere sind unter Umständen die Abgehängten, uninformierten, die vom Change negativ betroffenen. Und all das passiert gleichzeitig.
Deshalb male ich jetzt mal meine typische Changeverlaufskurve:
Hier sieht man, was passiert,
wenn alle ihrer eigenen Changeverlaufs- und Akzeptanzkurve folgen
wenn nicht in Echtzeit über Neuigkeiten und Entscheidungen kommuniziert wird
wenn nicht offen und ehrlich darüber gesprochen wird, wer Verlierer und Gewinner der Veränderungen sind
wenn keine starke Vision vorliegt, die jeder versteht
wenn zugelassen wird, dass manche nicht am gemeinsamen Strang ziehen
wenn nicht schnell erste Veränderungen verprobt werden und daraus gelernt wird
Wie beende ich nun diesen Post? Seht zu, liebe Berater, Moderatoren oder Kunden, dass in Changes 10x mehr, 10x mutiger, 10x offener, 10x schneller miteinander geredet wird als sonst. Sorgt für intensive und excellente Kommunikation auf allen Ebenen – und das ist nicht mit E-Mail-Newslettern getan.
Und, liebe FirmenlenkerInnen: schneidet die Beine, die ab müssen, schnell ab. Welcher Chirurg amputiert scheibchenweise? Das wäre grausam. Unangenehme Entscheidungen bitte auch nicht lange aufschieben. Das Warten auf den Sturm frisst sonst die ganze Energie im System. Je schneller ihr die Verlierer des Changes verarztet, umso besser für alle, auch die Betroffenen.
Den Umbau unserer Seminarinsel Isle of Change dokumentieren wir jetzt auf Instagram. Schaut zu, gebt schöaue Hinweise oder kommt als Versuchskaninchen zu Besuch!
Die Insel heißt mit bürgerlichem Namen Råholmen (Kleine Rauhe Insel) und liegt in einem trinkwasserklaren See bei Sundsvall – am Fuße des Weltnaturerbes Höga Kusten (Hochküste) in Schweden. Das macht uns einerseits atemberaubende Wanderungen möglich, und andererseits den comtemplativen Rückzug auf die 10.000 qm kleine Insel, auf der man völlig für sich sein kann.
2020 ist das Jahr der Renovierung und des Ausprobierens. Schaut gern auf Instagram rein und kommentiert den Fortschritt. Wer als Versuchsgast kostenlos hin möchte, kann sich 2020 gerne melden 🙂