Braves Vorbild oder kluges Vorbild?

Vorbild sein, Role Model, verantwortungsvoll. Grade sehr aktuelles Thema. Und ja, Vorbild ist man für andere eh – dann doch bitte auch ein gutes. Aber vorbildlich ist man nicht nur im Hinblick auf gutes Verhalten, sondern auch im Hinblick auf kluges.

In unserem Kulturkreis erntet man viel Beifall für „gutes Verhalten“. Wenn ich weniger fliege oder auf Ökostrom umsteige, oder Vegetarier werde, handle ich in den Augen vieler vorbildlich. Ich finde das schade. Nicht weil ich gegen diese Verhaltensweisen wäre. Nein, sie sind gut. Es ist nur so, dass es viel effektiveres Verhalten gäbe. Doch das wird in unserer Kultur oft entweder übersehen oder sogar gering geschätzt: kluge Verhaltensweisen! Es ist doch für das Ziel, den CO2 Ausstoß im Zaum zu halten viel effektiver, wenn ich 2-3 andere davon abbringe, eine Kreuzfahrt zu machen oder 5x pro Jahr zu fliegen. Aber Beifall kriegt nur wer öffentlichkeitswirksam auf irgendwas verzichtet. Belohnt wird das erbrachte Opfer, nicht die Klugheit.

Als Führungskraft mit anzupacken bei operativen Tätigkeiten wird gern gesehen. Sehr vorbildlich die Frau Managerin, die eine Stunde mit Stühle schleppt. Applaus. Oder wenn sie auch mal einen Nachmittag damit verbringt, die Laufwerke aufzuräumen. Das kostet zwar je nach Gehaltsunterschied das zwei bis zehnfache, aber hey: sie bringt Opfer. Vorbildlich. Aber sie opfert nicht nur ihre Zeit (die meisten Manager holen diese Stunden dann nachts nach). Sie opfert auch das Geld des Unternehmens für symbolische Handlungen. Nicht falsch verstehen, ich fühle genauso und ich handle auch so. Schade aber, dass WENIG beklatscht wird, wenn dieselben Managerinnen vorbildlicher Weise forden, dass operative Tätigkeiten mit geringem Mehrwert aber hohem Zeitaufwand bitte automatisiert oder ausgelagert werden.

Vorbildlich sollte nicht nur sein, was mir PASST, sondern was nach objektiven Maßstäben RICHTIG ist.

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