Moderatoren haben ausgedient – eine Polemik eines leidenschaftlichen Moderators

Einer muss es mal sagen: Wozu braucht es noch Moderation, wenn Teams zunehmend selbstorganisiert und toolgestützt kollaborieren?

Ich werde hier jetzt in 5 Punkten darlegen, warum mein Job überflüssig wird. Schuld sind jedenfalls einige starke technologische und arbeitsmethodische Trends. Dies tut mir selbst in der Seele weh, da Moderation mein Traumjob ist. Gleichzeitig freue ich mich aber auch darauf, dass die Arbeitswelt ein nächstes Level an Selbstorganisation erreichen wird und ich kräftig daran mitwirken konnte. Vielleicht liege ich ja falsch? Feedback erwünscht!

5 Thesen, warum Moderation, wie wir sie kennen, ein Ende finden wird:

1. Tools

Office 365 macht das Arbeiten völlig mobil. Alles liegt in der Cloud, alles passiert in der Cloud, und Du kannst mit Smartphone oder Laptop jederzeit von überall in diese Cloud. Im Zentrum des o365 Universums pulsiert das neue Flaggschiff – Microsoft Teams. Diese Teamwork-Software bündelt im Prinzip alles, was Teams zum Zusammenarbeiten und zur permanenten Selbstoptimierung brauchen:

  • Chats, die Spaß machen, da man lustige Emojis und animierte Gifs verschicken kann. Man kann auch Daumen hoch geben oder Aufkleber mit Lob verschicken. Dies ist keine Spielerei, es erleichtert offene Kommunikation und lockt hinterm Ofen hervor, wichtige Funktionen eines Moderators
  • gemeinsame Bearbeitung derselben Dateien. Anstatt in Workshops alles in Scheiben zu schneiden, die auf Flipcharts oder PostIts bearbeitbar sind, kann man direkt in einer Powerpoint gemeinsam arbeiten. Es wäre gelogen, wenn man bestreitet, dass Teams in klassischen Workshops oft in eine vom Moderator moderierbare Form gezwungen werden. Sammeln, clustern, Pünktchen kleben… das dient auch dazu, dass der Moderator überhaupt eine Struktur hat, aber besser ist doch ran an die Wurst (z.B. PPT) und gemeinsam fachlich voran machen. Wissen Sie, dass 1 Pack großer PostIts bei Staples 18 EUR kostet? Ich finde, es wird Zeit für mehr „Work“ und weniger „Shop“.
  • digitales Whiteboard
  • Todos verwalten (Planner)
  • Kalender (synchron mit Outlook)
  • einen YouTube ähnlichen Videodienst (Stream), der starken Impakt haben wird auf die Vermittlung von Wissen (interne Akademien aufgehorcht, interne Filmteams aufgepasst). Und auch für Changekommunikation wird das ganz heiß, wenn CEOs mal eben Videos an alle schicken können, die dann kommentiert werden etc. etc.
  • Einbindung digitaler Notizbücher, auf die man gemeinsam zugreifen kann (OneNote)
  • mit einem Klick ein projektspezifisches Wiki starten
  • und nicht zuletzt das Eröffnen projektspezifischer Teams und Unterkanäle, die man prima für Workshops nutzen kann. Alle treffen sich 15 Minuten im Hauptteam und besprechen, was zu erarbeiten ist, verteilen sich dann in Arbeitsgruppen auf die Kanäle und füllen dort im Laufe des Workshops direkt den Planner mit Todos, et voilà – keine Klebekärtchen, keine Flipcharts, keine Fotodoku, kein Moderator)

2. Mehr Tools

Wer kennt nicht: Mentimeter, Deon, Jira, Confluence, Slack, eduvote? Confluence und jira bilden zusammen Workflows ab und ermöglichen Statusanzeigen und Analysen in Echtzeit. Mentimeter zeigt grafisch, wie die Stimmung im Team ist. Deon ist eine revolutionär intuitive Alternative zu ordnerbasierten Dateiablagen. Es gibt natürlich noch 1.000 andere Tools, die die selbstorganisierte Zusammenarbeit organisieren helfen. Gerade frisch auf dem Markt ist www.Kick.tools von Frank Löhr – eine Software, die Projektteams ermöglicht, sich selbst zu überprüfen und permanent zu verbessern. Wenn Teams solche Tools kombinieren, wozu KVP Workshops, wozu Moderation?

3. Rollen

Sprintteams haben unter Umständen Scrum Master, die für die Erarbeitung und Einhaltung von Regeln im Team sorgen. In regelmäßigen Retrospektiven werden das Zusammenspiel beleuchtet und Optimierungen beschlossen. Solche Teams brauchen nicht wie früher für jede Diskussion gleich einen Moderator. Mit der höheren Selbstorganisation inform des Scrummasters kam auch eine Fülle neuer Workshopideen und Formate auf den Markt, die simpel und lustig sind. Da sehen manche Moderatoren alt aus mit ihrem mühselig über die Jahre zusammengestellten Methodenkoffer und teuren Workshopspielen die inzwischen fast alle kennen. Weitere neue Rollen, die am klassischen Moderator kratzen sind: Transformationsmanager, Change Manager, Kultur-Gilden, New Work Experten, Design Thinker, … sie alle moderieren zunehmend selbst. Nicht zuletzt wandelt sich die Rolle der Führungskräfte auch hin zum Moderator/ Facilitator/ Coach und das ist auch gut so.

4. Die Auftraggeber / Kunden

Die Leute werden ständig eigenständiger ist mein Eindruck. Wo früher noch alle Teilnehmer andächtig dem Herrn Moderator mit seinem Laserpointer lauschten, greift das heutige Klientel ohne zu zögern co-moderierend ein. Ob als Scrummaste, Systemischer Coach oder im Kreativseminar der Theatergruppe – viele Teilnehmer haben selbst Moderationserfahrungen gesammelt und scheuen sich weitaus weniger als früher, diese einzubringen. Selbst aus dem Kindergarten hat irgendwer einst den Schweigefuchs entwendet und in die Welt der Großen als Moderationstool eingeführt. Die Leute werden aber auch anspruchsvoller. Immer die selbe Workshop-Leier bitte nicht! Der Moderator möge uns bitte stets aufs Neue überraschen mit Location, Ablauf, Übungen und Materialien. Das führt aber auch dazu, dass mehr Effekthascherei als früher betrieben wird und so mancher gute Effekthascher verdrängt dann Kollegen, die nüchterner an Workshops herangehen. Die Kunden können es nicht bewerten und plötzlich ist der Effekthascher der King und setzt neue, bekloppte Maßstäbe, wie „coole“ Workshops zu sein haben. Diese kann dann aber aufgrund ihrer didaktischen Flachheit wiederum jeder machen. Es braucht keinen Koch für Pommes und für bunt Quatsch Workshops braucht es keine Moderatoren.

5. Der Wandel selbst

Solange Veränderungen weniger komplex waren, konnte man als Moderator noch mit klassischen Bordmittel größere Changes dauerhaft begleiten. Irgendwann war man im Thema, kannte die Leute, konnte auch mal intervenieren, fachlich nachhaken, Impulse setzen… all die Dinge, die einen Senior Moderator zum Sparringspartner der Auftraggeber machten. Doch je mehr es darum geht, sich einer ungewissen Zukunft durch trial and error zu nähern (siehe Stacey Matrix), müssen Teams eher dazu befähigt werden, dieses iterative Heranrobben an die Lösung zu können. Im Alltag, permanent. Da helfen keine 2 Workshops im Jahr und somit auch kein Moderator.

Mir fällt dazu noch mehr ein, aber ich habe oben schon 5 Gründe geschrieben und habe jetzt keine Lust mehr das zu ändern, daher lasse ichs jetzt dabei und bin gespannt auf Feedback! Organisiert die Welt sich selbst? Was wäre der Moderator 2.0, der in dieser Zukunft weiterhin Mehrwert bietet? Habe ich gänzlich unrecht?

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