Auch Base Rate Fallacy
„Es regnet, also wars die Ente!“
Wenn man sich nicht bemüht, die tatsächliche statistische Wahrscheinlichkeit von etwas zu ermitteln, sondern stattdessen auf den GMV (gesunden Menschenverstand) vertraut, dann baut man seine Einschätzung meist auf irreführende Stereotype. Was das für Dein Leben, und vor allem berufliche Entscheidungen bedeutet, darum geht es heute.
Ein berühmtes Beispiel: dir wird mitgeteilt, dass im Nachbarraum 99 Männer und 1 Frau seine, davon fällt eine langhaarige Person in Ohnmacht. Was schätzt du, ist deren Geschlecht?
Wer nun überlegt wie wahrscheinlich es ist, dass Frauen bzw. Männer langhaarig sind, macht es richtig. Wer denkt „langhaarig ist doch eher die Frau“, macht es genau falsch. Dann ignoriert man nämlich die Macht des Verhältnisses 1:99! Denn so manche Männer haben lange Haare, sagen wir, 5%. Das ist wahrscheinlich deutlich mehr als 1 von 99. Und 1 von 99 ist in diesem Beispiel nunmal die Chance, dass es die Frau ist (und Frauen haben außerdem auch nicht alle lange Haare). Die Chance dass die langhaarige Person ein Mann ist, ist also ca. 5x höher.
Business Beispiele:
Du hörst von einer sehr guten Idee, weißt aber nicht von wem sie war. Entweder von deiner pfiffigen Lieblingsmitarbeiterin Lara oder von einer der 20 Dumpfbacken. Du denkst, „die war bestimmt von Lara!“ Damit hast du sicherlich ab und zu recht. Aber solange die Chance besteht, dass die anderen auch mal eine gute Idee erzeugen, muss Lara schon 20x mehr gute Ideen haben als die anderen im Schnitt, damit die Chance sich nur auf 50/50 steigt, dass sie die Urheberin ist.
Anderes Beispiel: Du hast im Team 10 Leute, eine Person davon vorbestraft (oder schonmal krass aufgefallen und z.B. abgemahnt). Jetzt ist wieder mal etwas sehr irritierend passiert. Wenn du die vorbelastet Person nun als erstes verdächtigst, muss die Rückfallquote, bzw. Wiederholungstäter-Wahrscheinlichkeit schon enorm hoch sein, damit dein Verdacht statistisch angemessen ist.
Eine Person muss es statistisch mit 9 anderen aufnehmen, die durchaus auch Fehler machen könnten. Überleg mal für dich selbst: steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du richtig Mist baust um den Faktor 10, nur weil du den selben Fehler früher schonmal gemacht hast? Oder sinkt die Wahrscheinlichkeit nicht vielleicht sogar, weil Du draus lernst?
Ein drittes Beispiel noch, um von diesen Extremen wegzukommen: Du hast für einen Job 10 Bewerberinen da: 1 aus Generation Y und 9 aus Generation X. Dein Vorzimmer steckt Dir, dass eine der 10 Personen hibbelig war, die ganze Zeit am Handy gedaddelt hat und dem Nebenmann sagte, ich will ganz viel verdienen, aber ohne Verantwortung und donnerstags kann ich nicht da hab ich Joga. Wenn du jetzt aufgrund deiner Vorurteile (oder von mir aus Erkenntnisse) über die Generation Y denkst, das war sicherlich die eine Person, dann hast du es nicht so mit Statistik.
Und noch einen etwas anders gelagerten Tipp für personalverantwortliche Menschen: du solltest nicht unterscheiden zwischen jenen, die Homeoffice machen und denen, die brav reinkommen. Sondern zwischen denen, die ihre Sachen erledigen und denen, die das nicht tun. Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Faulpelz sich im Homeoffice verändert? Gering. Und dass eine Top Kraft sich verschlechtert? Genauso gering!
Wenn es regnet und auf deinen Kopf klatscht ein dicker Tropfen, dann landet neben dir eine Ente. War es dann ein Wassertropfen oder das Federvieh? Ein Wassertropfen natürlich. Aber im Alltag blenden wir oft einfach aus, dass es regnet, und verdächtigen den, der uns laut Stereotyp am besten passt.
Was kann man tun?
Fakten erheben. Menschen fragen, die Statistik verstehen.
Teile Berechnungen von Wahrscheinlichkeiten sauber in Teilwahrscheinlichkeiten auf („Ok, wie viele Männer haben denn lange Haare? Wie viele Frauen?…“) und schätze dann erst die Wahrscheinlichkeit deines konkreten Vorfalls ein.
Entscheidungen nicht dauerhaft aus dem Bauch fällen (was kommt bekanntlich aus dem Bauch heraus? Heiße Luft ist noch nett gesagt). Cheers!