Serie: Denkfehler im Job #9: Omission Bias

Omission Bias

„Etwas Böses tun belastet mehr, als etwas noch viel Böseres zuzulassen“

Wenn man dich zwingt, zu wählen zwischen einer Entscheidung, die garantiert direkte negative Folgen für jemanden hat und einer Alternative, die nur vielleicht oder nur indirekt negative Folgen hat, wählst du in der Regel Option 2. Sogar unsere Gesetze bestrafen aktive Schädigungen deutlich stärker als wenn die gleichen Schäden durch Unterlassung entstehen. Dein Gehirn, oder dein Gewissen, kommt nunmal besser damit klar, etwas nicht verhindert zu haben, als es klipp und klar selbst verantwortet zu haben. Doch ist es so einfach? Und was bedeutet der Omission Bias für das Berufsleben?

Was ist zu bewerten: die Tat oder das Ergebnis?

Hier ein Beispiel:

Du und Dein Freund sind Schlittschuhlaufen. Du bist neidisch auf sein Können, während du nur auf dem Eis herumtorkelst.

Aktives Handeln wäre nun: Du schubst ihn über einen Eisbrocken, er fällt hin. Alle lachen.

Unterlassung wäre: Er fährt auf einen Eisbrocken zu, sieht ihn nicht, du sagst nichts. Er fällt hin, alle lachen.

Fast alle Menschen finden Variante 1 schlimmer als 2. Bei 1 warst du der Hauptübeltäter, bei 2 hatte er Pech und du warst ne fiese Kröte. Dabei war die Unterlassung von den Konsequenzen her doch gleich.

Ein zweites Beispiel zeigt die Brisanz dieses Themas:

Du bist unterwegs und siehst durch Zufall einen massiven Unfall. Keine anderen Helfer sind vor Ort. Du erkennst, dass Dutzende Schwerstverletzte mit dem Tode ringen und kannst durch erste Hilfe höchstens eine Person retten. Alle anderen wirst du nicht retten können, sie werden in den nächsten Minuten verbluten. Du fährst weg. Der Druck, dich schuldig am Tod der vielen anderen zu fühlen, ist zu groß. Es ist leichter zu ertragen, dass du keinem hilfst, als dass du durch die Rettung einer Person viele andere „sterben lässt“.

Business Beispiele:

Noch klarer wird es hier: du bist Manager und sollst Nachwuchs fördern. Du weißt, 10% der Talente, die man in Eure Assessments schickt, kommen nicht durch und sind danach entsprechend geknickt, wenn nicht gar sehr demotiviert. Also wirst du immer zögern, Personen zu melden. Selbst das Wissen, dass du 90% der Leute eine Karriere ermöglichst, reicht nicht, um aufzuwiegen, dass die 10% dich so belasten. Durch Unterlassung kommt im Extremfall zwar gar keiner vorwärts, aber das wiegt nicht so schwer auf deinem Gewissen.


Oder: du beendest eine Karriere eines Low Performers nicht, weil du Mitleid hast. Obwohl du wissen müsstest, dass du mit dem Verhalten die Karrierewege mehrerer anderer Menschen verstopfst oder gar Arbeitsplätze gefährdest.

Ein Arzt verabreicht ein lebensrettendes Medikament mit schwersten Nebenwirkungen nicht, weil 1% der Patienten definitiv sehr schnell daran sterben würden, und unterlässt somit, 99% der Patienten das Leben zu retten.

Ein weiteres typisches berufliches Beispiel: Abteilung A läuft in einem Projekt gegen die Wand, Abteilung B sieht dies kommen, unternimmt aber nichts. Dies geschieht tausendfach in allen Firmen der Welt. Doch niemand wird dafür je irgendwelche persönlichen Konsequenzen erfahren. Man stelle sich aber mal die aktive Version vor: Abteilung B sabotiert willentlich die Ergebnisse von Abteilung A – es würden Köpfe rollen.

Und am häufigsten: alle halten im Meeting den Mund, weil nichts zu sagen nicht so schlimm ist, wie etwas Falsches zu sagen. Dabei helfen auch „falsche“ Ideen, „nutzlose“ Vorschläge oder „nochmal dumm nachfragen“ oft viel mehr als man denkt. Den Mund zu halten ist zwar manchmal genau das Richtige, aber meist ist das einfach nur eine ignorante, faule oder ängstliche Unterlassung.

(Das Gegenteil dieses Effekts ist der Action Bias – in bestimmten Situationen müssen wir einfach irgendwas unternehmen, auch wenn das überhaupt nichts nützt. Dazu in einem anderen Beitrag mehr.)

Was kann man tun?

Frage in moralisch schwierigen Situationen Außenstehende um Rat. Profis, die ähnliche Situationen oft gemeistert haben.

Bewerte deine Entscheidungsoptionen nach objektiven Kriterien, nach erwartbaren Resultaten, nach tatsächlichen Konsequenzen, welches wahrscheinlich erwartbare Resultat ist besser?

Sprich in Notsituationen oder wenn es um wichtige Dinge geht und niemand engagiert sich, Menschen aktiv an und bitte um eine konkrete Aktion. Ermunterte sie, sich aus der Deckung der Unterlassung heraus zu wagen.

Falls du gar nicht weiter weißt, ob du helfen sollst oder unterlassen, frag doch mal die, die es betrifft: Wollt ihr ins Assessment? Wollt ihr das Medikament? Etc.

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