Simples Workshop Design: ein Mix aus Canvas und Prozessperspektive

Canvasse sind ganz prima Formate, um darzustellen, aus welchen Bausteinen eine Organisation besteht. Prozessvisualisierungen sind gut, um Abläufe und Verantwortlichkeiten zu zeigen. Allerdings sind Canvasse sehr vereinfacht und Prozesse mappen dauert immer so lange. Warum also nicht mal beide Formate übereinander legen? Dachten sich Lisa Tiemann und ich. Daraus wurde das „Prozess-Haus“, welches bis heute als schlanke Methode im Einsatz ist. Das Prozess-Haus ist in solchen Workshops meine erste Wahl, in denen ich zwar kunden- und prozessorientiert rangehen will, aber keine Zeit für langwierige Mappings habe. Danke nochmal, Lisa :-). Was meint Ihr zu der Methode?

Das Prozess-Haus ist ein pragmatischer Mix aus Prozessvisualisierung und Canvas. Probiers mal aus und gib mir Feedback, ob Du es auch so gern einsetzt, wie ich.

Das Prozess-Haus ist ganz simpel und tut überhaupt nicht weh. Es gibt es außer einem Kasten für Inputs und Outputs nur noch ein Haus dazwischen. Das Haus hat ein Dach (da schreibe ich den Abteilungsnamen rein und ggf. deren Mission Statement) sowie einen „Maschinenraum“, in dem die Abteilung arbeitet. Der Charme des Prozess-Hauses ist, dass man die ganze Zeit stark unter dem Fokus „kundenrelevante Outputs“ und „Prozesse in unserem Maschinenraum“ arbeitet, ohne aber Prozesse mappen zu müssen.

Schritt 1: Zeichne das Haus als Blanko-Template

Schritt 2: Erkläre den TN, wie das Prozess-Haus funktioniert (dies kann auch im Vorfeld in Verbindung mit einer Hausaufgabe geschehen, ist sogar noch besser)

Schritt 3: Starte den Workshop

Schritt 4: Fülle die Sub Team-Titel aus

Schritt 5: Fülle die Box „Kundenrelevante Outputs“ aus. Hierbei ist oft ein Perspektivwechsel nötig von „Was wir so alles machen“ hin zu „Was unsere Kunden wirklich von uns möchten und bekommen“. Hierbei nicht zu kleinteilig werden. Optimal wären die 3-10 TOP Output-Cluster. Es sollte sich um die wichtigsten Kernleistungen handeln. (Falls die Gruppe Probleme hat, Ihren kundenrelevanten Output zu formulieren, schalte das „Frisörspiel“ vor.)

Schritt 6: Fülle bei Interesse die Inputs aus. Dies ist optional, oft kommt man auch ohne aus. Auch hier möglichst eine hohe Flughöhe einhalten und mit Clustern arbeiten, nicht zu nittigritti.

Schritt 7: Zeichne zu jedem Outputcluster hin einen Prozess-Strang. Dies ist nicht unbedingt ein einziger Prozess. Ich nenne es immer „Bündel von Prozessen oder Tätigkeiten, die durch unseren Maschinenraum laufen, und nach rechts hin die Outputs ermöglichen“. Und ich rufe die TN dazu auf, sich jetzt auf die Session einzulassen. Wird schon 🙂

Schritt 8: Jetzt geht es inhaltlich los. Fange im Maschinenraum links oben beim ersten Prozess-Strang an mit der Frage: „Wer ist hier im Lead? Bei welchem Sub-Team schreibe ich ein (L) hin?“ Manchmal kommt das sofort, dann ist alles gut. Manchmal ist das (L) aber gar nicht klar. Das kann daran liegen, dass der Prozess-Strang zu ‚dick‘ ist und es mehrere Verantwortlichkeiten gibt. Es kann sich lohnen, den Prozess-Strang aufzusplitten in 2 oder 3 Substränge. Falls allerdings die Verantwortlichkeit überhaupt nicht klar ist, dann male einen Blitz an diese Stelle und schreibe eine kleine 1 an den Blitz. (Die Blitze werden nachher in einer Blitzeliste gesammelt und weiter bearbeitet). Weiter geht es mit (I) – wer von den anderen Sub-Teams ist in den Ablauf noch involiert?

Schritt 9: Jetzt hinterfragst Du für diesem ersten Prozess-Strang noch den kundenrelevanten Output. Stimmt da alles? Kunde glücklich? Qualität, Lieferzeit, Übergabe etc. – alles schick? Falls es hier irgendwelche Probleme gibt: Blitz mit Nummer. Den Blitz mache ich immer möglichst genau an die Stelle des Prozess-Hauses, wo er am besten gelöst werden kann. Mitten in den Prozess-Strang hinein, oder bei der Führung oben, oder beim Input, etc.

Schritt 10: Wenn Du alle Prozess-Stränge durchgearbeitet hast, hast Du eine Mischung aus einem vereinfachten Business Model Canvas und einer groben Prozess-Matrix (kennt man unter RACI, VMI, DMI und anderen Namen). Im Laufe des Tages wirst Du steuern müssen, wie tief Du in die Blitze einsteigst, bzw. ob Du diese im Schnelldurchgang nur aufimmst. In Schritt 10 entscheidest Du mit der Gruppe zusammen, ob jetzt zur Blitzeliste übergegangen wird („Welcher Blitz wird bearbeitet von wem bis wann?“) – oder ob das Prozesshaus weiter angereichert wird.

Optionale weitere Schritte: Weiter anreichern kann man das Prozesshaus jetzt noch durch Zahlen, Daten, Fakten:

  • Durchlaufzeiten
  • Bearbeitungszeiten
  • Prioritäten
  • Eingesetztes Budget pro Outputcluster oder pro Prozess-Strang
  • Eingesetzte Ressourcen
  • Prozess-Ziele
  • etc.

Das Frisörspiel: Manchmal lohnt sich eine kleine optionale Vorabübung, um griffig zu formulieren, was die kundenrelevanten Outputs sind. Briefing: „Zwei Gruppen schreiben jetzt mal auf, was auf der Tafel in Eurem Schaufenster stünde, wenn ihr ein Frisörsalon wäret. Der Frisör schreibt da sowas hin wie „Waschen, Legen, Föhnen“ – das sind die Kundenrelevanten Outputs. Er schreibt garantiert nicht „Haare wegfegen, Kaffee kochen, Hände desinfizieren“ – das sind alles Tätigkeiten im Hintergrund des Maschinenraums. Diese Tätigkeiten passieren einfach in den Prozess-Strängen, sie gehören nicht in die Outputs! Die Gruppen präsentieren die beiden Frisörtafeln gegenseitig und die UNterschiede / Gemeinsamkeiten werden diskutiert. Am Ende einigt man sich auf „die perfekte Aushängetafel für unser Team“. Diese Punkte übernimmt der Moderator in die Outputseite des Prozess-Hauses.

Viel Spaß beim Ausprobieren und ich würde mich über Feedback freuen!

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