„Erinnern geht nicht immer per Knopfdruck“
Die meisten werden wissen, dass unser Gehirn sich vor allem dann gerne Dinge merkt, wenn die Erinnerung an etwas Auffälliges oder an den Kontext geknüpft werden kann, in dem gelernt wurde. 1975 sollten zwei Gruppen 36 zufällige Begriffe auswendig lernen. Die einen lernten unter Wasser, die anderen an Land. Dann wurde geprüft, wie viel sie erinnern konnten – jeweils Unterwasser oder an Land. Unter Wasser konnte die Gruppe mehr Begriffe erinnern, die auch unter Wasser gelernt hatte (38% Erinnerung vs. 21%). Für die Landratten galt dasselbe (32% vs. 21%). Heute geht’s darum, was das für uns im Kontext Führung, Schulung, Strategie und Kulturwandel heißen kann.
Unser Gehirn ist eben kein Computer. Eine Suche am Computer ist ein Durchforsten von Datenbanken. Es ist dann eine Frage der Zeit, bis alle gesuchten Details gefunden wurden. Unser Hirn hingegen braucht Hinweise (engl. Cues). Manche Details gehen ohne Kontext schlicht verschütt. Die Hinweise sind sozusagen die Schlüssel zum Schatz. Ohne die Schlüssel kein Schatz. Das sollte jeder beherzigen, der möchte, dass Menschen Dinge im Kopf behalten: „Was ist der Schlüssel zum Schatz?“
Genauso wichtig für das Lernen neuer Verhaltensweisen ist das Verlernen alter Muster. Auch wenn ich hier begrifflich jetzt sehr unsauber werde. Gemeint ist, dass überkommene, unerwünschte Verhaltensweisen manchmal durch Trigger weiterhin ausgelöst werden – Schlüssel zu verpesteten Schätzen.
Solange die alten Schlüssel immer wieder auftauchen, wird man auch das unerwünschte alte Verhalten nicht los. Versuche daher nicht nur, die alten Verhaltensweisen durch neue zu ersetzen. Gib den neuen auch neue Schlüssel. Und weg mit alten Schlüsseln.
Ein großer Fehler, der im Business gemacht wird, sind z.B. trockene Compliance und Sicherheitsschulungen. Aber auch viele andere Infos, die auf die Menschen gekippt werden. Ohne Cues mitzuliefern, bleibt da gar nichts hängen. Auch Strategie- und Kulturwechsel sollte die Leitung nicht einfach nur herunterbeten, sondern permanent nach starken Cues suchen, mit denen die Belegschaft sich die wichtigsten Punkte jederzeit aus ihrem Kopf abrufen kann.
Business Beispiele:
„Gelernt im Stress, erinnert im Stress“ Assessments können am besten durch Stress jenes Wissen und Verhalten triggern, welches unter Stress gelernt wurde. Gehen Sie keine Geschäftsbeziehung ein, ohne erlebt zu haben, was Ihr potentieller Partner unter Druck abruft.
„Vertraue dem Backlog, dem Wissensmanagement“ ein Backlog, ein Wiki, ein Protokoll, etc. hilft deinem Gehirn, Dinge zu behalten, ohne Cue. Du sammelst Schätze, für die Du keine Schlüssel brauchst, um sie abzuholen.
„4 Augen Prinzip“ wenn du wichtige Lernerfahrungen zu zweit machst, erzeugt ihr beide Euch gegenseitig einen Teil der nötigen Cues. Außerdem merkt sich jeder ein bisschen was anderes und auf eine andere Weise. Der Austausch hinterher ist ein kleiner Schatz für sich.
„Lernen nicht zu seltsam kontextualisieren!“ Der Trend, Teilnehmern von Seminaren immer mehr bieten zu wollen (wenn man das Wort Seminar noch benutzen kann, ohne altbacken zu klingen), könnte zwar einerseits das Lernen begünstigen. Man hat Interaktionen, Reflexionen, Walks and Talks, Learning Journeys, Trainshops und Lunch & Learns. Doch wenn der Kontext zu speziell, zu außerordentlich ist, kann es passieren, dass später im schnöden Alltag kaum noch die Cues auftauchen, die das Erinnern so bitter nötig hat. Ich würde Learning on the Job maximal fördern. Und off the Job würde ich eher Probleme lösen lassen. Sonst hast du den Effekt, dass du wie im Beispiel von 1975 immer erstmal tauchen gehen musst, damit die Leute sich gut erinnern.
Damit du den Kern dieses Artikels behalten kannst, hier der Trigger zum Merken: such mal am Kopf den Knopf, den man drücken kann, um sich wie ein Computer an etwas zu Erinnern. Es gibt keinen!
Eine zweite Eselsbrücke: CUEltural Change