Corona & Remote Sessions: 10 RELEVANTE Learnings

Leider schwafeln viele ziemlich um den interessanten Brei herum wenn sie ihre mageren Erfahrungen bezüglich #remotearbeit in sozialen Medien teilen. Daher jetzt mal 10 echt RELEVANTE Erkenntnisse aus dem Alltag nach 6 Monaten Lockdown & Homeoffice (selbstverständlich gleich mit Lösungsvorschlägen). Vorab: Ich bin ein Fan der remote Arbeit. Als Moderator habe ich keine Probleme mit Workshops per Skype oder MS TEAMS. Weder mit 175 Experten im Termin, noch mit 20 Topmanagern. Im Gegenteil – es entstehen riesige Vorteile, vor allem in Bezug auf Nachhaltigkeit und Effizienz. Darauf gehe ich am Ende dieses Artikels ein. Doch es gibt auch neue Herausforderungen. Die sollte man anerkennen. Alle Punkte sind aus dem Blickwinkel eines Moderators geschrieben – dürften aber auf jeden Teilnehmer zutreffen.

01 Ich sehe die Teilnehmer nicht, wie sind sie grade drauf?

Es stimmt, ich sehe die Teilnehmer nicht. Mancher hat eine verwackelte Kamera an, andere nur ein Profilbild oder gar nichts. Wisst Ihr was? Selbst wenn einer die Kamera an hat, bringt mir als Moderator das wenig. Denn eine Kamera verändert den Akteur. In analogen Workshops kann ich aus dem Augenwinkel Leute beobachten, wie sie tuscheln, Augen rollen, einschlafen. Per Kamera zeigt man sich doch eher von der selbstkontrollierten Seite her. Und einschlafende Menschen erkenne ich schon gar nicht, die schalten die Kamera ab.

Was ist also dran an einem der meist gehörten Problemen mit Remote Workshops? Ich sage es mal mit dem Wendler: Egal! Wie jemand guckt, ob sie eindöst oder er die Augen rollt, sollte einen Moderator nur wenig beeinflussen. Eine riesen Chance der digitalen Zeit ist das Konzentrieren auf das Wesentliche. Und das ist in meiner Philosophie nun mal die Sachdiskussion und nicht die permanente Bewertung inform von Mund verziehen oder Augenbrauen hoch reißen.

Es kann eh kaum ein Moderator die nonverbale Kommunikation seiner Teilnehmer aktiv lesen und korrekt interpretieren. Meist nimmt man als Moderator doch eh nur wahr: „halt, hier stimmt was nicht, die guckt doch anders als eben!“ Und dann reagiert man in Echtzeit auf diese Irritation. Man fragt nach, wechselt leicht den Stil, wiederholt das Briefing, provoziert ein wenig, o.Ä.

Tipp 01: In Remote-Workshops solltest Du aufgrund der fehlenden Möglichkeit, allen Teilnehmern reihum in die Augen zu schauen, viel verbales Feedback / Interaktion einbauen und Dir noch mehr Mühe geben, ein super spannendes, knackiges Meeting hinzulegen – das sollte am besten auch in Präsenzworkshops gelten 😉     


02 Ich weiß nicht, ob sie das Briefing verstehen

Remote Workshops sind tendenziell kürzer geworden als die Präsenzversionen. Das führt bei der Zeitplanung bei einigen zu waghalsig kurzen Sessions. „So, ihr  habt jetzt 1 Minute zum Brainstormen, was Euch am wichtigsten ist in diesem Prozess-Redesign. Bitte auch gleich einen lustigen Namen für Eure Idee überlegen, wir treffen uns in Kanal 3, es sei denn, Eure Namen fangen mit A-M an, dann bitte in Skype auf dem Whiteboard… Alles verstanden? Ok, los gehts!“…

So ein Briefing versteht in der Hektik nur 5% der Teilnehmer korrekt. Die anderen  werden jetzt Dich oder sich gegenseitig anchatten und fragen, wie der erste Satz nochmal war. Oder sind im Browser schon bei www.ferienwohnungen-dänema… Briefings sind auch oft ohne Zeitdruck erstaunlich schlecht formuliert. Ich setze das manchmal sogar als Methode ein. Denn ein unvollständiges Briefing kann auch Informationen herauskitzeln, z.B. aufgrund der Fragen die dann von den Teilnehmern kommen oder nicht (vor allem in Führungskräftetrainings mache ich das öfters).

Tipp 02: Bitte formuliere Fragen und Briefings so, dass Du gar keinen Blickkontakt brauchst, um ein Teilnehmerfeedback zu bekommen. Lege das Briefing zentral ab. Schicke allen einen Link zum Briefing. Formuliere es super simpel. Teile Aufgaben in zwei Schritte, anstatt alles miteinander zu vermischen. Dann wird das auch mit der Breakout Session.   


03 Och menno, alle sind am Second Screen

Mein Tipp für einen Duden-Neuzugang 2021? „Second Screen“! Während Du dich als Moderator abmühst, surfen die anderen bei Amazon. Oder um mal ein deutsches Unternehmen zu supporten, dass Steuern zahlt, bei Otto. Der Zweite Bildschirm – das kann das andere Fenster auf dem Laptop sein, der Fernseher, oder das Handy. Bei Menschen mit Kindern auch diese. Ablenkung gibt es im Homeoffice genügend. Im Internet wird dieses Problem auch oft genannt, dann meistens mit dem Tipp, dass man sich ein eigenes Büro zuhause einrichten soll, und Zeiten ohne Ablenkung freihalten. Doch was hilft das dem Moderator? Was kannst Du gegen Second Screening tun?

Tipp 03: Deine Workshops müssen die perfekte Balance erreichen zwischen „Relevanz für alle“ und „Kurz und bündig“. Es muss ein Sog entstehen. Die Teilnehmer müssen von Anfang an denken: „Wow, hier geht was, ich gebe mich dem Flow hin.“ Viel Einbindung, wenig Frontalvortrag, kein Verzetteln, coole aber schön simple Visualisierung. Aufgaben in der richtigen Reihenfolge abarbeiten. Irritationen vermeiden. Ergebnisse immer vor Augen und Teilergebnisse, die man zu einem Endresultat wachsen sehen kann. Und mir nichts  Dir nichts ist der Workshop vorbei, hat gar nicht weh getan. So muss es laufen. Im Prinzip eine Art perfekte Workshop-UX. Und wenn ein paar mal nebenbei 2ndScreenen – so what? Biete ihnen lieber die Möglichkeit, schnell wieder einzusteigen, anstatt wie ein Oberlehrer die totale Anwesenheit durchsetzen zu wollen.

04 Sie hören mich schlecht. Hört Ihr mich jetzt?

Du bist die erste im Onlineworkshop. Als Moderatorin hast Du dich natürlich frühzeitig eingelogged. Dann kommen die ersten Teilnehmer. Manche mit Video, andere ohne, andere mit Video aber schwarzem Bild, weil sie die Schutzkappe zugeschoben haben. Und dann kommts: „Hört Ihr mich?“ fragt einer. „Nö“ antwortet der erste Scherzbold per Chat. „Echt nicht?“ fragt der gestresste Teilnehmer. Alle lachen. „Moment, ich wähle mich neu ein, ich hör Euch nicht“. Kruschel, klick, rausch, er fummelt am Headset rum… Wählt sich neu ein, AHHHH jetzt gehts, es war nicht das Neueinwählen, es war der Headsetschalter, aber das sagt der TN natürlich nicht. Peinlich. Und so denken alle fälschlicherweise weiterhin: Scheiß Technik, wären wir doch nur in Präsenz.

Andere Situation: Ein Mensch redet schon seit 1 Minute. Plötzlich, als würde eine KI das Vielreden unterbinden wollen, hört man ihn nur noch stockend, dann gar nicht mehr. Keiner sagt was. „Vielleicht kommt der ja nochmal wieder. Lass mal abwarten.“  Oder „soll doch wer anders ihm sagen, dass man ihn nicht mehr hört, ich fands eh langweilig, was er erzählt hat, obwohl, keine Ahnung, was er eigentlich erzählt hat…“

Tipp 04: Ha! Bei vermeintlichen Technikthemen gibt es natürlich 1000 Tipps. Denn die Quelle des  Problems kann mannigfaltig sein. Vor allem kann sie zu 75% aus Wasser bestehen und vor der Tastatur herumlümmeln. Ich als Moderator würde folgendes Probieren:

  • A) Geh mal aus dem Garten weg, ganz nah an deinen Router
  • B) Wähl Dich parallel mal per Telefon in den Call, das ist meistens besser
  • C) Alle machen mal Ihre Videos aus, vielleicht ist der Bandbreitengott heute gnädig
  • D) Präsentierst Du eine mega große PPT? Vielleicht kann man die wem anders schicken, der die zeigt – jemandem mit zeitgemäßer Bandbreite. Ansonsten mach mal die PPT klein! (heise erklärts)
  • E) Wie, Du hast kein Headset? Redest Du in einem 80 Personen Call einfach in Deinen Laptop rein? Come on!
  • F) schließt mal alle alle anderen Bandbreite fressenden Progranme, wie Outlook, Streamingdienste, Skype/Teams je nachdem was nicht benutzt wird.
  • G) Wähl Dich neu ein 😉

05 Teilnehmer sind nicht vorbereitet. Komisch, sie hatten doch 5 Minuten Vorlauf, seitdem ich den Skype-Termin eingestellt hatte!?!

Ja, remote verleitet zu Skypeattacken. Immer gleich 30 Minuten Skype für egal was – das ist eine Pest. Und dann auch noch dicht an dicht gequetscht die Termine. Das war doch in der Prä-Corona Zeit auch nicht so, das man sich zu wem hinsetzt, und sagt, so ich hab hier ein Thema, das dauert jetzt 30 Minuten. Man ging doch zu wem hin und wenn man alles geklärt hatte, ging man wieder weg. Das Pendant in der remote Welt  wäre: kurz anskypen statt 30 Minuten zu blockieren.

Tipp 05: hast Du auch zu viele Skype Calls und dazwischen gar keine Zeit mehr zum Vorbereiten? Sag die Termine ab und ruf die Übeltäter direkt an. Geht alles viel schneller!

06 Die Onlinesessions fasern aus, die Leute reden zu viel, alles ist so gehetzt, aaahh!

Ja, auch im Internet sind am Ende des Wortschwalls meist nicht mehr genug Minuten übrig für weitere Wortschwalle. In Präsenzmeetings kam es vielen komisch vor, wenn einer eine Eieruhr rausholte, trotzdem wurde es teilweise gemacht und die, die es ausprobiert haben, fanden es ganz cool eigentlich.

Zeiten einzuhalten ist nicht nur wichtig, damit keine Zeit mit Warten verschwendet wird („Sorry Leute, Gruppe 1 ist noch im Breakout-Kanal verschwunden, Gruppe 2 ist Kaffee trinken gegangen…“), sondern es geht darum, die innere Haltung zu ändern: nicht mehr „ich tue hier 8 Stunden Dinge, das ist Arbeit“,  sondern „wir machen das jetzt so schnell und gut wie möglich zack zack fertig, hurrah“ – das ist Arbeit. Bedenkt auch, dass es online den Zuhörern noch schwerer fällt als in Präsenzmeetings, einen Redner zu unterbrechen. Du musst dich schon  immer mal selbst stoppen. (Hilft auch beim Luftholen!)

Tipp 06: es muss ja nicht gleich der Schweigefuchs sein, es reicht der Timer von Windows, den Du unter Suche > Timer findest.

07 Man kann nicht so schnell tippen, direkt reden war so viel einfacher. Ich will Präsenzworkshops zurück!

Hier kommen wir zu einem Thema, was mich als Moderator besonders beschäftigt: den Input möglichst aller Teilnehmer zu fördern und gleichzeitig auszubalancieren. Die einen sind grad noch am Frage verstehen, während die anderen schon Ideen in den Chat feuern, am besten garniert mit Blinkebildchen (zu denen ich auch neige, räusper…)

Auch hat sich das Durcheinandersprechen mit 25 Leuten per Chat und Audio gleichzeitig nicht als praktikabel erwiesen. Wie also damit umgehen?

Tipp 07: Breakouts, breakouts, breakouts. Teile die Diskussionen in kleine Häppchen und schicke die TN in kleine Diskussionsgruppen, so dass sie sinnvoll miteinander sprechen können. Die wenigsten Diskussionen sind so, dass es wirklich wichtig ist, dass alle 75 TN in einem einzigen Kanal gleichzeitig zuhören und mitreden. Ergänze die Kleingruppen durch Umfragen, die du gern auch in der Hauptsession machen kannst. Ein paar Umfragen ersetzen oft stundenlange Debatten. Tools für Umfragen: https://t3n.de/news/tools-fuer-online-umfragen-561288/

08 Wenn ich als der Neue im Team wochenlang gar niemanden live zu sehen kriege, wie soll ich mich da einarbeiten?

Ich glaube die gekniffensten des #Remote Zeitalters sind die Neuen. Das liegt aber nicht nur daran, dass sie ihre Kollegen nie sehen und daher kaum Vertraulichkeit aufbauen können, kennenlernen, beschnuppern. Es liegt auch daran, dass verdammt nochmal alle Eure Prozesse so mies beschrieben sind, so falsch, so veraltet, so unsexy dargestellt, so unvollständig und so schwer zu verstehen. Es liegt auch daran, dass ihr die Großmeister im Laufwerke vollmüllen seid, wo ein Neuling grad mal gar nix findet. Und es liegt daran, dass ihr als alteingesessene lieber ganz viel mit den Fratzen chattet, telefoniert und netzwerkt, die ihr eh kennt. Da werden dann Bildchen geschickt, Filmchen gezeigt, lange rumphilosophiert. Aber fürs Kümmern um die Neue ist keine Zeit. Ne? Ja ne doch, is schon so!

Tipp 08: rechne mal durch, was es kostet, wenn ein Neuling 8 Wochen braucht, bis er voll performen kann statt sagen wir mal 4 Wochen (160h statt 320h). Und dann überleg mal, ob ein sauberer remote Einarbeitungsplan, dazu ein paar coole remote Kennenlernspiele, eine ordentliche Ablage, Projektdokumentation und ein paar extra Anrufe des Teams bei der neuen Person als Einstiegshilfe wirklich 160 Stunden kosten. Wie bei der Bahncard – spätestens nach dem 2., 3. Mal lohnt es sich allemal.

09 Man braucht extra Tools für z.B. Umfragen, Filmpräsentationen und Whiteboards, aber unsere Firma erlaubt das nicht, wäh

Find ich totalen Quatsch. Umfragen kann man auf mannigfaltige Weise mit Bordmitteln machen, ebenso das meiste andere wofür man extra Software zu brauchen glaubt. Daher gleich zu den Tipps.

Tipp 09: für Videos mit Ton: bei MS Teams beim Teilen des Bildschirms einfach mal Haken setzen oben links bei „Systemsound übertragen“. Und Umfragen kann man online machen, indem man…

  • in MS Teams im Kanal „Beiträge“ mehrere Vorschläge posted und alle anderen voten mit Daumen hoch
  • in MS Teams eine PPT ablegt, auf die alle gleichzeitig zugreifen und auf vorbereiteten Folien digitale Punkte kleben
  • in MS Teams oder Skype eine Frage stellt und die möglichen Antworten mit Buchstaben versieht. Die TN schreiben den Buchstaben dann in den Chat

10 Remote = Relaxed

Das ist wohl der wichtigste Punkt. Deppen wie Merz faseln was von „zurück an die Arbeit“ und andere Chefs fürchten um die Produktivität wegen der ganzen fiesen Homeoffice Sache. Dabei deutet sich an, dass die Produktivität  im Homeoffice steigt. Warum wohl finden Gewerkschaften Mobile Arbeit so semi witzig? Sicherlich kann mancher Faulpelz sich im Homeoffice besser verstecken als im Büro. Dafür stört er die anderen jetzt aber auch weniger. Und durch die Ausweitung des Zeitfensters für Arbeit (viele Sachbearbeiter arbeiten zwischen 6 und 22h, wenn sie remote sind) ist auch gar nicht so leicht zu sagen, ob jemand schon um 14 quasi einen ganzen Tag abgeleistet hat. Wenn sie um 15h dann nicht mehr erreichbar ist, heißt das nicht dass sie „im Homeoffice faulenzt“!

Tipp 10: klar trennen zwischen den Aspekten „remote Arbeit vs. Präsenz“ und „Leistung erbringen“.

Und was ist jetzt mit Nachhaltigkeit und Effizienz?

Das Thema Produktivität wird im Link oben zum Manager Magazin bereits behandelt. Nachhaltigkeit möchte ich mal mit einer Gegenüberstellung verdeutlichen.

Was ist wohl nachhaltiger?

A) Leute rennen über Flure, steigen Treppen, vergessen Handys irgendwo, buchen Räume, treffen sich, machen erstmal Kaffee, warten bis alle da sind, … dann meeten sie ein bisschen, schreiben Sachen sonstwo hin, mal auf Zettelchen, mal auf Flipchart, mal auf Whiteboards. Und dann rennen alle wieder los. Pixelige Fotodoku kommt per Mail (16MB). Wer im Nachhinein noch ne Frage hat, schickt Mails an alle. Dann verselbstständigen sich die Powerpointversionen im Umlauf. Sie werden an 32 verschiedenen Plätzen von jedem 3mal abgelegt. Nach 2 Wochen weiß keiner mehr so richtig. Todos? muss irgendwer hinterherrennen. Dann wieder Treffen: was wollte nochmal wer machen? Ach egal.

B) Alle treffen sich in MS TEAMS. In einem spezifischen Kanal. Dort ist eine spezifische Dateiablage. Und ein spezifischer Planner für Todos. Flipchart? Ist die Powerpoint, die da eh unter Dateien liegt. Fotodoku? Gibts nicht. Todos? Direkt während des Meetings in den Planner gehackt. Fertig? Fertig! Und in 3 Wochen? Alles da, alles ready fürs Weiterbearbeiten.

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