Vor ca. 150 Personalern hielt ich einst einen 30 minütigen Vortrag rund um Change. Warum Change? Wie geht Change? Was passiert im Change? Wie starten wir heute in den Change? Ich hatte leichtes Spiel, da das Publikum gut drauf war und Lust auf frische Luft, Mut und Innovativität hatte. Doch im Vorfeld schon ärgerte mich an meinem eigenen Vortrag, dass ich zu informativ unterwegs war. Changekurve, neue Führung, Change Erfolgsfaktoren, Stacey, VUCA, Digitalisiiiiierung – etwas Anderes musste her…
Also flanschte ich drei Dinge an jede mögliche Andockstelle meines Vortrags:
- Beispiele aus meinem eigenen Berufsleben . Wenn du „ich“ sagen kannst statt „man“, wirkst du erst richtig stark. Du sprichst von eigenen Beobachtungen, Krisen, Learnings – nicht von denen deiner Kunden oder fiktiver Personen aus Lehrbüchern.
- Aufgeschnappte Details aus den Gesprächen der Teilnehmer der vorangegangenen Kaffepause. So wird der Vortrag tagesaktuell. Du musst über etwas sprechen, was die Leute heute interessiert – nicht darüber berichten, was dich interessiert.
- Ich habe den Vortrag mit mehreren ernst gemeinten Vorschlägen beendet, die ich mir an dem Tag erst zurechtgebaut hatte. Einer war: nehmt euch doch vor, 2020 unter das Motto zu stellen „wir sind mal ein Jahr lang wegen nichts angepisst. Wegen nix. Einfach nicht beleidigt. Nur nach vorn schauen, konstruktiv und freundlich. Keine Häme, keine Gram, kein Neid, einfach nicht anpissbar“.
Der Vortrag hatte das Ziel, den Tag zu eröffnen und eine positive Grundstimmung zu schaffen für die darauf folgenden Innovationssessions. Laut Feedback ist das auch hervorragend geglückt. Und in meiner eigenen Wahrnehmung erwachten während der 30 Minuten eine Menge Hirne und Herzen im Publikum, um sich nach frischer Luft, Mut und Freiheit zu strecken.
Gedankenexperiment als Verpackung für eine Ansage
Selbstverständlich hatte der Aufruf zum „Motto des Jahres“ eine ganz spezielle Funktion. Ähnlich wie der Satz „stell dir vor es wäre Krieg und keiner geht hin“ einerseits ein Gedankenexperiment zu sein scheint, aber andererseits vor allem eine starke moralische Aufforderung entfaltet. Indem ich nämlich sage „Nehmt euch doch vor, dass… “ erlaube ich zu träumen (wie wäre das? Ja schön wäre es!). Ich schlage aber gleichzeitig einen Pflock ein, dass ich etwas fordere. Dass es unprofessionell ist, sich zu zanken, dass es meist unnötig ist. In dieser Form darf ich das sagen. Es wird nicht als Vorwurf gewertet, sondern als Ziel formuliert mit dem jeder mithgehen kann.
Jeder kann mitgehen
Zudem macht so eine Träumerei, wenn sie einen Nerv trifft, ganz viel Energie frei, weil Menschen dann emotional quasi als Feedback sogar in die andere Richtung umschlagen: es entsteht viel Heiterkeit, Nachsicht, Nähe. Auf so einer Welle in einen Innovationstag zu starten, ist viel inspirierender als jeder Fachvortrag über Innovationstechniken, darüber was Google wieder macht oder dass wir disrupten müssen um nicht disrupted zu werden. Ach, und VUCA wollte ich noch sagen.
Diese Technik kann man auch im Kleinen bei Workshops verwenden. Hier schreibe ich zum Beispiel keine Workshopregeln auf, sondern lasse gern ein Motto festlegen oder aufschreiben, was jeder Teilnehmer „voll Bock hat, einzubringen“ (daraus mache ich dann natürlich ein Commitment, auf das ich im Laufe des Workshops zurückkomme, ist klar).
Auf ein erfolgreiches und gut gelauntes Innovationsjahr 2020!