Vor ca. 2 Monaten habe ich wieder angefangen zu schwimmen. Nach 25 Jahren Pause. 1995 ca. war ich mit in Berlin bei Jugend trainiert für Olympia. Unser Team belegte zwar einen der hinteren Ränge der Gesamtwertung, aber immerhin waren es die deutschen Meisterschaften. So schlecht kann ich als Schwimmer nicht gewesen sein. Dachte ich… bis neulich Samstag 9h im Hallenbad Wietze. Da dachte ich nach den ersten 10 Bahnen, ich würde verrecken. Letzten Samstag, nach nur 2 Monaten, schwamm ich 100 Bahnen und davon jede zehnte im Sprint. Dabei summte ich Unterwasser munter meine liebsten Starwars-Melodien. Ich habe den unter Sportlern bekannten Effekt der schnellen ersten Erfolge am eigenen Leib erlebt. Was dieser Effekt mit Teambuilding, Führung und Kompetenzentwicklung zu tun hat, darum soll es heute gehen.
Erste Erfolge sind meist leicht. Also hab doch einfach viele davon!
Bekannt ist der Effekt der schnellen ersten Erfolge aus dem Fitnesstudio, wo die ersten Sit-ups leider so gar nicht klappen, aber nach ein paar Wochen ist man schon bei 50, dann 250. Und dann stagniert die Kurve. Auch Beweglichkeit kann recht schnell von Null auf „ganz ok“ gebracht werden, sehr schwer aber bis zum Level „Schlangenmensch“. Auch meine Handwerkerfähigkeiten stiegen während unseres Umbaus von Volldepp im Raketentempo auf „krieg ich hin“, dann war das Steigerungs-Potential aber erstmal erschöpft 🙂
Doch das ist ok. Wer will schon 5000 Situps in Lichtgeschwindigkeit schaffen, seinen Rücken mit den eigenen Knien massieren können, oder alles selber machen? Und vor allem, wer will dafür viele Jahre und tausende Euro für Trainings investieren? Es reicht doch, ganz gut zu werden in so vielen nützlichen Dingen. Schluss mit Hilflosigkeit, Kurzatmigkeit, Geldverschwendung, Pfusch etc. durch ein paar schnelle erste Lernerfolge. Deswegen ist für Wissen, welches man durch reines Zuschauen erwerben kann, YouTube so genial. Wissen, dass hingegen noch ziemlich ungenutzt bleibt, ist in den Köpfen Deiner Kollegen, Mitarbeiterinnen oder Kundinnen versteckt. Geh mal auf die Suche.
In letzter Zeit habe ich oft gehört: nicht defizitorientiert entwickeln, sondern stärkenorientiert!
Das ist ein schöner Ansatz und er macht mir auch mehr Spaß. Er wird aber oft viel zu vereinfacht nachgeplappert. Wenn mein Python Coder nicht coden kann, aber Seilspringen, dann kriegt er keine Seilspringseminare, kannste vergessen. Und wenn ich ein paar echte Defizite in der Führung habe aber ganz prima Excel schrubben kann, … ich glaube der Punkt ist klar.
Also, Defizite darf man ruhig angehen. Vor allem, wenn sie dem Teamerfolg oder dem persönlichen Vorankommen im Wege stehen. Nich ein Beispiel: Wenn ich üblen Mundgeruch habe (Defizit) aber wunderschönes Haar (Stärke), möchte ich nicht zum Starfriseur, sondern den Mundgeruch loswerden bitte. So wirst du in jedem Job Dinge finden, in denen jemand Defizite hat, die echt nerven, alles aufhalten, andere demotivieren oder irgendwen in Gefahr bringen. Mit ein bisschen Engagement können diese Defizite meist schnell verbessert werden!
Manche davon sind so basic, dass der Effekt der schnellen ersten Erfolge hier ganz super zum Tragen kommt. Mal bei Dir selbst angefangen: Probiere doch mal herauszufinden, welche 3 Dinge Du echt fast gar nicht kannst, die aber helfen würde, um sorgenfreier durchs Leben zu kommen. Und dann ackere ein klein wenig daran herum. Nach ein paar Wochen Durchhaltevermögen wirst Du garantiert erstaunt sein, wie fresh sich Dein neues Ich inzwischen anfühlt. So wie ich nach 4 Etagen Treppenhaus nicht mehr schnaufend. So geil. Bin ich Michael Phelps? Nein. Kann ich 100 Bahnen durchziehen nach nur 2 Monaten Training? Yeah man!
Dieser Effekt der schnellen ersten Erfolge funktioniert auch bei allem anderen: Grundverständnis für Steuererklärungen. Business Englisch. Power Automate. Verkaufsgespräche führen. Masken richtig tragen. Fliesen legen. DSGVO einhalten. Feedback geben. Cybersicherheit einhalten. Etc etc.
In all diesen und noch 10.000 anderen Themen lohnen sich ein paar kurze Trainingseinheiten, um schnell aufzusteigen von einem, der leider sagen muss: „da scheitere ich 100%ig dran“ hin zu einem veritablen Anfänger, der sagen kann: „Ich pack das schon“. Ich bin sicher, dieser Weg ist für die meisten Teams, Firmen, Familien etc. hilfreicher, als wenn alle immer nur ihren Stärken hinterherlaufen und für das nächste echte Level-Up noch einige Jahre lang hart trainieren müssten.
Die 1 Million Dollar Frage ist also, wo willst du hin? Phelps oder Fitness? Doktorarbeit schreiben oder nicht mehr abschreiben müssen? Auf Englisch Verträge aufsetzen oder mit Teamkolleginnen aus aller Welt auf Englisch kommunizieren? Für die wenigsten Dinge auf der Welt ist Expertenwissen notwendig. Doch leider treiben wir Menschen immer gern das auf die Spitze, was wir gut können (bis wir auf halbem Wege mitten in der Mittelmäßigkeit die Lust verlieren).
Mit den ersten Erfolgen kommt oft sogar der Wunsch, noch weiter zu gehen. Da können sich dann ganz tolle Entwicklungen ergeben. Ganz anders ist das bei der Förderung bekannter Stärken. Hier sind positive Überraschungen eher selten. Ich jedenfalls fange jetzt Dienstags zusätzlich mit einer 30km Radstrecke an. Und Donnerstags ist Hanteln angesagt. Weder Jan Ulrich noch Ralf Möller sind dabei meine Vorbilder – sondern einfach nur mein früheres Ich mit meinem Fitnesszustand vor 25 Jahren 🙂